Memiana ist nicht das Produkt eines einzelnen Einfalls, sondern setzt sich aus mindestens zwei bis drei zusammen.
Am Anfang stand die Sehnsucht, nach all der Film- und Fernseharbeit endlich mal wieder etwas zu schreiben, bei dem mir nicht jeder reinreden konnte, als Wünsche verpackte Befehle erteilen und sich am Ende dann darüber beschweren würde, dass auf der bestellten Schlachtplatte Fleisch und Wurst waren.
Oder dass im Kreis die Ecken fehlen würden.
Völlig unabhängig von fremden Vorstellungen und Einflüssen nach Herzenslust und nur der eigenen Fantasie verpflichtet mal wieder fabulieren zu dürfen, das war der Traum.
Dabei sollte aber nicht teutonisch-belehrende „Hochliteratur“ entstehen, die Feuilletonisten begeistern aber keine Leser interessieren würden.
Ich wollte einfach nur unterhalten.
Diejenigen, die ich für meine Geschichten interessieren wollte.
Und mich persönlich auch. Denn bei all der Arbeit, die ein Buch bereitet, wollte ich schließlich auch meinen Spaß haben.

Deutsche Fantasy

Gemordet und totgeschlagen hatte ich zu der Zeit bereits mehr als genug, also schieden die Genres Krimi und Thriller für literarische Betätigung erstmal aus. Dafür wollte ich es wagen und mich auf das Spielfeld meiner gar nicht so heimlichen Vorliebe begeben, nämlich der Fantasy.
Gelesen hatte ich da bereits eine Menge und war auch durch die Landschaft der deutschsprachigen Fantastik gepflügt. Doch am meisten hatten mich immer eher die Autoren des englischen Sprachraums fasziniert. Aber nicht der im Genre unvermeidliche Tolkien hatte es mir angetan, sondern ein ganz anderer Schriftsteller.

Terry Pratchett

Ich bin ein riesiger Terry Pratchett Fan und habe alles gelesen, was er jemals geschrieben hat. Ich liebe seine überbordende Fantasie und seine Fähigkeit, ein so komplexes und auch immer ein wenig widersprüchliches Universum im Griff zu behalten, so dass alles, was er sich ausdenkt, am Ende dann doch hinein- und zusammenpasst.
Seine ganz große Qualität ist, dass er keinen Klamauk macht. Was Pratchett in der Scheibenwelt erzählt, findet eine Entsprechung immer auch in der Realität. Er erzählt von Rassismus genauso wie von sturem Fundamentalismus, Kriminalität, Ökonomie und Politik. Nur kämpfen halt Trolle gegen Zwerge und Händler bauen ein Zukunftsschweinelager, in dem die Schweinehälften, mit denen heute schon Handel getrieben wird, für übermorgen langsam entstehen. Toll fand ich immer, dass Pratchett Dinge, die es bei uns gibt, auf seiner Scheibenwelt mit einem kleinen magischen Touch versieht, sie sich aber von der Haltung der Menschen dazu von unseren grundsätzlich nicht unterscheiden. Wie zum Beispiel das Explodieren der Kommunikationstechnologie mit allem, was dazugehört. Monopolbildung, „Online-Sucht“, Abzockerei – alles da. Nur eben mit Zeigertelegrafen, wie es sie im 18 Jahrhundert bei uns gegeben hat – und nicht mit Eierfonen.

Memiana und Computer

So etwas hätte ich wahnsinnig gerne auch mal geschrieben – und ich hatte eine Idee. Ich fragte mich nämlich irgendwann, wie fühlt sich so ein einsames Bit in der Computerwelt, wo es von hier nach dort geschickt wird – und am Ende für eine Katastrophe verantwortlich sein soll, wenn es an der falschen Stelle landet. Der Einfall war, eine Welt zu erschaffen, in der Menschen die Funktion von Bits und Bytes übernehmen und alles im Grunde nur ein großer Rechner ist – mit allen Folgen. Das war der Einfall und der blieb erstmal in der Schublade, weil ich von Computern nicht genug verstehe und keine richtige Handlung dazu fand. Charaktere auch nicht wirklich.

Genial daneben

Ein Jahr später sah ich im Fernsehen eine Sendung, in der Comedy-Promis obskure Fragen beantworten sollten, natürlich mit möglichst vielen Anzüglichkeiten und auf dem Holzweg und oft genug witzig: „Genial daneben“.
In einer Folge war die Frage, warum eine bestimmte Schneckenart nach einem halben Jahr das Fressen einstellt. Weil sie so viel Chlorophyll angereichert hat, dass sie sich sozusagen von Licht und Wasser ernähren kann. Das hat mir gefallen und in diesem Moment fing meine kreative Denkmaschine an zu laufen – und hielt einfach nicht mehr an.

Fantasy ohne Hobbits, Orks, Zwerge und Ringe

Am nächsten Tag habe ich die erste Skizze zu einer Welt ohne Pflanzen aufgeschrieben. Schnecken waren langweilig, so wurden es die Phyle, die rund um die Welt laufen, immer der Sonne nach, und so die Grundlage allen Lebens werden.
In einer Welt ohne Pflanzen gibt es natürlich kein Papier und die Häute der jagbaren Tiere sind zu wertvoll, um was draufzuschreiben.
Wer braucht außerdem Schrifttum, wenn es Menschen gibt, die nie etwas vergessen?
Leute, die ein fotografisches Gedächtnis haben, haben mich schon immer fasziniert und ich habe mir oft gewünscht, ich hätte selbst eins. Da war der Schritt zum Volk der Memo nicht weit und das Ganze wurde dann mit den Grundzügen der alten „lebendige Bits“-Idee angereichert.
Memo als Botschafter, die nicht wissen, was sie da transportieren, die als Berechner im Sinne von Computern dienen und das Gedächtnis der Welt sind (Festplatte).
Von diesem Skelett war dann aber innerhalb kürzester Zeit nichts mehr zu sehen. Ich ließ meine Imagination einfach von der Leine und schaute nur zu, was sie so im Wald der Fantasie riss und als Beute heimschleppte.
Es dauerte keine drei Tage, da hatte ich meine Welt auf 60 bis 80 Seiten skizziert, hatte die Völker und die Grundlage des Lebens und des Handels. Und ich hatte meinen Helden.

Keine Zauberer-Schule

Die Geschichte war nur in ihrer frühesten Jugend ein wenig „Memo-Internat“. Aber davon entwickelte sie sich ganz schnell weg und vor allem weiter, immer weiter. Nach einem guten Monat hatte ich die vollständige Konzeption, alle wichtigen Handlungsstränge und vor allem meine Hauptfiguren.
Ich fing an, den ersten Band zu schreiben. Dabei lief mir ein weiterer Charakter zu, von dem ich bis dahin nicht gewusst hatte, dass er fehlte, der aber dann einfach nicht mehr wegzudenken war und das Mysteriöse, Geheimnisvolle und auch die grausame Realität in die Saga mit einbrachte.
Das sollte sich im Lauf der Arbeit noch mehrfach wiederholen.
Immer wieder tauchten Protagonisten auf, denen ich eigentlich nur eine kleine, temporäre Rolle zugedacht hatte, die aber einfach nicht mehr gehen wollten. Oder später überraschend an der richtigen Stelle wieder auftauchten und ganz wesentlich zur Entwicklung der Saga beitrugen.
Im Prinzip hat sich über die 12 Jahre, die es dann doch dauerte, bis alle 14 Bände fertig waren, am Gerüst der Story nicht viel verändert. Der grundsätzliche Ablauf blieb über all die Zeit erhalten. Er wurde nur mit neuen Ideen und immer mehr Details der mit jedem Kapitel reicheren Welt gefüllt.

Len Deighton

Ein anderer englischer Autor, der mich bei der Konstruktion komplexer Plots sehr beeinflusst hat, ist der Thriller-Autor Len Deighton. Er hat einmal einen seiner Protagonisten sagen lassen, dass man viele kleine Wahrheiten erzählen müsse, damit einem die große Lüge geglaubt wird.
Das habe ich als Motto nie vergessen.
Zumindest versuche ich, mich daran zu halten, denn die Glaubwürdigkeit einer jeden Geschichte hängt davon ab.
Memiana ist sehr anders als jede Vergangenheit und Gegenwart auf der Erde. Aber das, was die Menschen fühlen, was ihre Begierden sind und was ihre Wünsche und Hoffnungen, unterscheidet sich nicht von dem, was wir selbst auch empfinden.
Geschichte, Settings, Welten mögen erfunden sein. Doch wirken kann eine Saga auf den Leser nur, wenn das Geschehen in sich logisch ist und vor allem die Gefühle, die die Protagonisten empfinden und äußern, authentisch sind. Ich habe mir jedenfalls alle Mühe gegeben, in beiden Bereichen glaubwürdig zu bleiben.

Matthias Herbert

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